Brazil: Unterstützung brasilianischer Unternehmen bei der Einführung und Umsetzung eines Diversity-Managements

I. Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter
In dem vorliegenden Beitrag wird der bereits erfolgreich angestoßene Prozess beschrieben, den die
Auslandshandelskammer (AHK) São Paulo und die GIZ Brasilien zur Förderung des Diversity
Managements bei brasilianischen Unternehmen angestoßen haben. Die Idee für das Projekt entstand
im Frühjahr 2017, als auf einer internen Fortbildung der GIZ Brasilien während eines Vortrags zum
Thema Diversity festgestellt wurde, dass die Deutsch-Brasilianische Auslandshandelskammer São
Paulo zu den Diversity-Themen Gender, Ethnie und LGBT keine Angebote für ihre
Mitgliedsunternehmen hat. Die GIZ in Brasilien hingegen fördert Diversity-Aspekte im Sinne des
Gender-Mainstreamings in allen ihren Programmen. Es stand die Frage im Raum, warum nicht die
Synergien zwischen der GIZ Brasilien und der AHK São Paulo nutzen und versuchen, bei den
Mitgliedsunternehmen der AHK São Paulo ein Diversity-Management zu fördern? Wir hatten die
Hoffnung, hierdurch einen wirkungsvollen Prozess anzustoßen, der im Idealfall eine brasilienweite
Reduzierung von Diskriminierung im Bereich Gender erreicht.
Unser Team besteht aus Wolf Dio, Landesdirektor der GIZ Brasilien, Cora Buchenberger, Gender-AP
und Assistenz der Landesdirektion der GIZ, sowie Bernd dos Santos Mayer, ExperTS an der AHK São
Paulo. Ein ExperTS ist ein über das Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM)
vermittelter Experte. An Auslandshandelskammern, Delegationen der Deutschen Wirtschaft und
bilateralen Wirtschaftsvereinigungen beraten diese Experten lokale und deutsche Unternehmen zu
entwicklungspolitischen Themen.
Die GIZ Brasilien zählt mit nationalem Personal, Langzeitconsultants, AMA und Praktikanten über 180
Mitarbeiter. Durch die Genderstrategie und eine große Zahl von GG1-Vorhaben hat das Thema
Gender einen hohen Stellenwert. Es gibt eine aktive Gender-Arbeitsgruppe, die in den letzten
Monaten verstärkt zu den Themen „Rasse“ und „Ethnie“ in Verbindung mit Gender gearbeitet hat.
Damit will die Gruppe einerseits der brasilianischen Realität gerecht werden und andererseits
Diversity als sinnvolle Erweiterung des Gendermainstreamings vorantreiben. Die AHK São Paulo hat
knapp 80 Mitarbeiter und zählt mit über 1.200 Mitgliedsunternehmen, davon alleine 800 deutsche
Unternehmen, zu den größten AHKs weltweit. Zwischen der GIZ Brasilien und der AHK São Paulo gibt
es seit vielen Jahren eine gute Zusammenarbeit.
Diversity ist im brasilianischen Kontext ein schwieriges Thema. Am deutlichsten zeigen sich die
verschiedenen Aspekte von Diskriminierung in der Analyse der Opfer von Gewalt: Im Durchschnitt
werden in Brasilien 13 Frauen pro Tag ermordet. Mit dieser Zahl belegt Brasilien im globalen Ranking
von Morden an Frauen den fünften Platz unter 83 Ländern (Analyse UNO 2015). Im weltweiten
Ranking der Morde an LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender) belegt Brasilien sogar den ersten
Platz (Transgender Europe TGEU). Alle 27 Stunden stirbt ein Mensch in Brasilien aufgrund von Homooder Transphobie. Laut der Organisation Grupo Gay da Bahia kam es im Jahr 2014 zu 326
Tötungsfällen – dies bedeutet ein Anstieg von 4,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Ein weiteres Indiz für Diskriminierung / genderbasierte Chancenungleichheit ist der Zugang zu
Bildung. Besonders deutlich wird die Diskriminierung von Frauen in den Ingenieurswissenschaften, so
sind z.B. nur 8,5% aller 4.500 Studierenden der Ingenieurswissenschaften an der Universität von São
Paulo (USP) weiblich. Seit der Gründung der Ingenieurswissenschaften an der USP vor 124 Jahren,
haben bislang nur zehn (!) schwarze Frauen einen Abschluss als Ingenieurinnen gemacht.

Bedauerlicherweise lässt sich seit der Amtsübernahme des Übergangspräsidenten Michel Temer im
Jahr 2016 eine Zunahme der Intoleranz innerhalb der Gesellschaft feststellen. Als eine seiner ersten
Amtshandlungen schaffte er das Ministerium für Frauen und Gleichbehandlung ab. Zum
Internationalen Frauentag 2017 beglückwünschte der Präsident die Brasilianerinnen mit der
Bemerkung, dass ihre Rolle die Kindererziehung sei. Ebenso nimmt die Diskriminierung gegenüber
LGBT zu. Ein von Michel Temer ernannter Bundesrichter entschied im September dieses Jahres, dass
ab sofort Mediziner und Psychologen Homosexuellen Heilung und Therapie anbieten dürfen. Hiermit
setzt sich die brasilianische Rechtsprechung über den weltweit anerkannten Klassifikations-Katalog
für Krankheiten hinweg, nachdem Homosexualität keine Erkrankung ist und keiner Heilung bedarf.
Unter diesen nicht einfachen gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen war klar, dass
wir die Bearbeitung des Themas Diversity behutsam angehen müssen. Wir entschieden uns für die
Vorbereitung von zunächst nur einer Veranstaltung, dem Diversity Kick-off. Sollte der Kick-off
positive Resonanz auslösen, wollten wir auf Basis dieser Erfahrung Folgeaktivitäten planen. Der Kickoff fand am 04. Mai 2017 statt und bestand aus einem Überblicksvortrag zum Thema Diversity,
einem Vortrag zum Thema Gender und einem moderierten Panel, auf dem drei CEOs (CEO Bayer
Brasilien, CEO BASF Südamerika und GIZ Landesdirektor Brasilien) über Diversity in Brasilien
diskutierten. Leider war keine weibliche Führungskraft auf dem Panel vertreten, denn von den
wenigen weiblichen CEOs in Brasilien konnte aus Termingründen keine an der Veranstaltung
teilnehmen. Zum Abschluss des Kick-offs führten wir eine Teilnehmerbefragung durch, um das
Interesse und die Themenschwerpunkte für Folgeveranstaltungen abzufragen. Das erste
überraschende Ergebnis des Kick-offs war die große Anzahl der Anmeldungen. Eine Woche vor dem
Kick-off konnten wir keine weiteren Anmeldungen annehmen, da der Saal mit 90 Sitzplätzen bereits
voll belegt war. Das Highlight der Veranstaltung war das CEO-Panel. Die Teilnehmer zeigten sich nach
der Veranstaltung beeindruckt von der Deutlichkeit und Schärfe, mit der sich die CEOs für Diversity in
ihren Unternehmen einsetzen. „Dafür sind wir selbst verantwortlich in unseren Unternehmen, dies
müssen wir selbst ändern, sonst wird sich nichts bewegen“, so der Bayer-CEO, Theo van der Loo. Die
Teilnehmerbefragung zum Schluss des Kick-offs ergab, dass die Unternehmen sich weitere
Veranstaltungen zum Thema Diversity wünschen, insbesondere zu den Themen Ethnie, Gender, LGBT
sowie Inklusion von Menschen mit Behinderungen.
Aufgrund der erfolgreichen Kick-Off-Veranstaltung folgten in diesem Jahr zwei Workshops zu den
Themen Gender, LGBT, Ethnie und Menschen mit Behinderungen, bei denen Unternehmen über ihre
Erfahrungen berichten konnten. Da wir kein Budget für Diversity-Aktivitäten zur Verfügung hatten,
mussten sich alle Aktivitäten von Beginn an finanziell selbst tragen. Für die Workshops verlangte die
AHK daher eine kostendeckende Teilnahmegebühr. Beide Workshops waren mit je 22 Teilnehmern
gut besucht und verliefen sehr erfolgreich.
Aus den gebotenen Veranstaltungen zeigte sich, dass das Thema Diversity mehr
Öffentlichkeitsaufmerksamkeit benötigt, um insbesondere Unternehmen zu erreichen, die sich bisher
noch nicht dem Thema Diversity angenommen haben. Im Oktober 2017 wurde deshalb das DiversityKomitee der AHK São Paulo gegründet, bestehend aus acht CEOs von Mitgliedsunternehmen (Bayer,
BASF, SAP, Ernst & Young, Mercedes, Bosch, Henkel und Siemens). Weiterhin freuen wir uns, dass die
vom BMZ entsandte WZ-Referentin der Deutschen Botschaft in Brasília, Frau Dr. Annette
Windmeisser im Komitee vertreten ist. Frau Dr. Windmeisser verfügt über ausgewiesene Expertise im
Bereich Diversity und stellt eine große Bereicherung des Komitees dar.
Mit Unterstützung des Diversity-Komitees planen wir u.a. folgende Aktivitäten für 2018: Die
Hauptveranstaltung wird die Durchführung des ersten Deutsch-Brasilianischen Diversity-Tags am 5.

Juni, der zeitgleich zum Diversity-Tag in Deutschland stattfinden soll. Die in diesem Jahr
durchgeführten Einführungsworkshops zu Diversity werden in 2018 beibehalten. Des Weiteren ist die
Erstellung einer Deutsch-Brasilianischen Diversity-Publikation vorgesehen. In der Publikation
möchten wir die Diversity-Aktivitäten der deutschen Unternehmen sowie der GIZ präsentieren. Die
Aufarbeitung von Best Practice Beispielen sollen interessierten Unternehmen eine Übersicht über
mögliche Maßnahmen bieten.
Als kurzfristige, aber wichtige Wirkung unserer Aktivitäten in diesem Jahr kann sicherlich die
Bereitschaft einiger CEOs gesehen werden, im neugegründeten AHK Diversity-Komitee
mitzuarbeiten. Eine weitere Wirkung ist auch, dass erstmals in der jährlich erscheinenden Zeitschrift
der AHK Brasilien ein Aufsatz über Diversity (Link) in Brasilien erschien ist. Mit dem Aufsatz in der
AHK Zeitschrift konnte wir die Reichweitere unserer Diversity-Aktivitäten deutlich erhöhen.
Mittel- und langfristige Wirkungen sind bisher noch nicht eingetreten, da unsere Diversity-Arbeit erst
in diesem Jahr begonnen hat. Eine mittelfristige Wirkung kann durch die Ausrichtung des ersten
Deutsch-Brasilianischen Diversity-Tags entstehen. Evtl. können wir sogar erreichen, dass sich alle
deutschen Unternehmen in Brasilien für die Einführung einer Diversity-Strategie verpflichten. Ein
solcher Prozess im Unternehmenskontext hätte garantiert Auswirkungen auch auf das private Leben
vieler Mitarbeiter und würde einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung von Diskriminierung beitragen.

II. Gender als Qualitätsmerkmal unserer Arbeit
Die GIZ ist in Brasilien in erster Linie bekannt durch ihre Kompetenz in den Bereichen Erneuerbare
Energien und Tropenwaldschutz. Einige Teilnehmer des Diversity Kick-offs zeigten sich überrascht,
dass die GIZ in Brasilien nicht nur Expertise für Energie und Tropenwald vorweisen kann, sondern
ebenfalls im Querschnittsthema Diversity. Die GIZ Brasilien ist daher über das DiversityKooperationsprojekt mit der AHK São Paulo dabei, sich bei Unternehmen in einem weiteren
Kompetenzfeld zu profilieren, welches im Idealfall eine positive Ausstrahlung auf die GIZSchwerpunkte Energie und Tropenwaldschutz haben wird.
Bei der Gestaltung der bisherigen Workshops achteten wir auf eine ausgewogene Gender- und
Altersbalance der Referenten. Uns war besonders wichtig, die Mitglieder des Komitees „divers“ zu
gestalten, was aufgrund der vorwiegend männlichen, älteren CEOs der Mitgliedsfirmen eine
Herausforderung war, die wir mit der Gewinnung der WZ-Referentin der Botschaft gemeistert haben.

III. Gender und WoM
Folgend wird zuerst auf das ExperTS Programm eingegangen und anschließend auf die GIZ Brasilien.
Das ExperTS Programm hat in seiner Folgephase ab Januar 2018 eine GG1-Kennung. Durch
Programmindikatoren wird darauf geachtet, dass sich Genderaspekte in der Arbeit der ExperTS
wiederspiegeln. Zu Beginn eines jeden ExperTS-Einsatzes wird eine Ergebnisvereinbarung getroffen,
um die Wirkung der Arbeit messen zu können. Die Ergebnisse werden alle sechs Monate anhand
eines Fortschrittsberichtes und nach Beendigung eines Einsatzes anhand eines Abschlussberichtes
evaluiert. Weiterhin geben die Arbeitgeber einen Bericht ab, der Aufschluss zu den erzielten
Wirkungen gibt. Diese einzelnen Berichte werden von der Programmkoordination ausgewertet und
abgelegt. Aus den einzelnen Berichten erstellt das ExperTS Programm in jedem Quartal einen
Fortschrittsbericht für das BMZ und einmal im Jahr einen ausführlichen Jahresbericht. Als Plattform
zur Abgabe der einzelnen Berichte benutzt das ExperTS Programm ein hierfür entwickeltes OnlineTool.

Die Vorhaben der GIZ Brasilien nutzen zum wirkungsorientierten Monitoring die Online-Plattform
IGMI (Instrumento de Gestão e Monitoramento de Impactos), in dem die Erhebung von Wirkungen im
Bereich Gleichberechtigung der Geschlechter integraler Bestandteil sind. Die Aktivitäten zur
Gleichberechtigung der Geschlechter innerhalb der Vorhaben werden darüber gemonitort und in den
Berichten an den Auftraggeber herausgestellt. Darüber hinaus greift die Gender-Arbeitsgruppe bei
internen Veranstaltungen regelmäßig gute Beispiele aus den Projekten auf, sodass die generierten
Erfahrungen zusätzlich systematisch erfasst, dokumentiert und an KollegInnen weitergegeben
werden.

IV. Kooperation
Das wichtigste Kooperationsverhältnis des Projekts ist die Kooperation zwischen der GIZ Brasilien
und der AHK São Paulo. Beide Partner stellen damit unter Beweis, dass sie nicht nur bei technischen
Themen wie Energie oder Umwelt gut zusammenarbeiten können, sondern dass auch ihre
gesellschaftlichen und sozialpolitischen Grundhaltungen ineinandergreifen.
Das zweitwichtigste Kooperationsverhältnis besteht zwischen der GIZ, der AHK São Paulo und der
Stiftung Espaço Eco Brasilien. Die Stiftung wurde im Jahr 2005 von der BASF mit Unterstützung der
GIZ Brasilien gegründet, hatte anfänglich ihren thematischen Schwerpunkt im Bereich Umwelt und ist
inzwischen ein gefragter Partner im Bereich Diversity im Unternehmenskontext. In der Kooperation
ist die Stiftung mitverantwortlich für die inhaltliche Gestaltung, sowie für die finanztechnische
Abwicklung der Aktivitäten. Weitere wichtige Kooperationspartner sind die Deutsche Botschaft und
die Unternehmen, die im Diversity-Komitee vertreten sind.
Erleichtert und verbunden hat uns bei der Initiierung der Diversity-Arbeit, dass einige große deutsche
Unternehmen in Brasilien dem Thema Diversity grundsätzlich offen gegenüberstanden.
Hervorzuheben ist hier der CEO von Bayer, der in diesem Jahr von der renommierten brasilianischen
Zeitschrift Valor Econômico zur „Führungskraft“ des Jahres ausgezeichnet wurde. Wir konnten ihn als
Koordinator für das Diversity-Komitee gewinnen.
Anfänglich hatten wir Zweifel, ob wir ausreichend interessierte Unternehmen für Diversity
Aktivitäten finden würden. Manche oberen Führungskräfte hätten Angst vor dem Thema Diversity,
ihnen fehle Knowhow und das Vokabular, um über Diversity zu sprechen, so die Zusammenfassung
des CEOs von Bayer Brasilien. Viele Führungskräfte gingen dem Thema daher lieber aus dem Wege.
Eine weitere Herausforderung war, ohne Budget Aktivitäten im Bereich Diversity zu unternehmen
und ohne zu wissen, ob Unternehmen bereit sein würden, Geld in die Hand zu nehmen. Wir hatten
anfangs nur Räumlichkeiten und unsere Begeisterung für das Thema.
Unser wichtigster Erfolgsfaktor für das Diversity-Projekt ist die Kooperation zwischen der GIZ
Brasilien und der AHK São Paulo. Die AHK São Paulo verfügt über den Zugang zu Unternehmen in São
Paulo, die GIZ Brasilien verfügt über Knowhow im Bereich Diversity. Der zweite Erfolgsfaktor war die
gelungene Auftaktveranstaltung. Mit dieser Veranstaltung konnte das Thema Diversity erstmals beim
Präsidium der AHK São Paulo und den Mitgliedsunternehmen positioniert werden. Der dritte
Erfolgsfaktor, der die Grundlage für die Aktivitäten im nächsten Jahr bildet, ist die Bereitschaft
einiger CEOs, sich im Diversity-Komitee der AHK São Paulo zu engagieren.