1. Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter
1.1 Regionaler Kontext
Die aktive Teilnahme von Frauen am öffentlichen Leben ist in weiten Teilen Mosamiks eher die Ausnahme. Im patrilinear geprägten Süden sind Frauen häufig finanziell abhängig von ihrem Partner und verfügen über geringe Entscheidungs- und Mitbestimmungsrechte im öffentlichen Raum. Während die Quoten bei Gemeinde-versammlungen und in den Beratungsgremien auf Dorf-, Distrikt- und Provinzeben nicht zu letzt aufgrund von gesetzlichen Regelungen häufig erfüllt werden, ist die mosambikanische Bürgerschaft in der Praxis noch weit von einer aktiven und gleichberechtigten Teilnahme von Frauen entfernt. Es gibt kaum weibliche Dorfvorsteher oder ähnlich einflussreiche weibliche Figuren und die teilnehmenden Frauen sind oft lediglich anwesend, äußern jedoch selten ihre Meinung. Oft mangelt es an Selbstsicherheit. Das Traditionsverständnis verbietet es Frauen, mit Männern in Diskussionen zu treten. Die Analphabetismusrate von 66% unter den Frauen und generell geringe Bildungschancen und -niveaus der weiblichen Bevölkerung tragen mit Sicherheit auch zu dieser Situation von mangelndem „empowerment” unter den Frauen bei. Gleichzeitig gibt es viele alleinerziehende Mütter und weibliche Familienoberhäupter, teilweise durch traditionelle Gesellschaftsstrukturen bedingt und teilweise wegen der anhaltend hohen Arbeitsmigration der Männer in die südafrikanischen Minen. Eine aktive(re) Partizipation der Frauen an Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen ist daher sehr bedeutend und muss zum Wohl einer nachhaltigen Entwicklung gefördert werden. Dies zeigen Beispiele aus der Praxis, wie der Fall eines Brunnens, der auf dem Gelände eines Privatmannes mit dessen finanzieller Unterstützung gebaut wurde, den die Frauen jedoch nicht nutzten aus Angst vor Anschuldigungen des Fremdgehens und weil sie sich vor den Ohren der anwesenden Männer nicht wie gewohnt unterhalten konnten. So setzten sie ihren weiten Weg zum Fluss als Wasserquelle fort. Um solch ein Scheitern bedeutender Projekte zu verhinden, müssen Wege gefunden werden, die Meinungen und Bedürfnisse der Frauen in die Projektplanung einfließen zu lassen. Gleichzeitig ist es wichtig, bei den Männern das Verständnis für die Bedeutung dieser Partizipation zu fördern und ihnen die Vorteile derselben für beide Geschlechter vor Augen zu führen.
1.2. Vorstellung des Programms und Einbettung des Genderthemas
Das Resource Governance Program der GIZ in Mosambik verfolgt das Hauptziel, die verschiedenen involvierten Regierungsinstitutionen dabei zu unterstützen, mit Hilfe des Rohstoffsektors eine nachhaltige Entwicklung und Verminderung von Armut, voranzutreiben. Das Programm besteht aus vier Komponenten:
1. Capacity Building und Good Governance auf nationaler Ebene mit dem Bergbau-und Energieministerium: Verbesserung der Managamentkapazitäten und Umsetzung der Politik und Strategie des Ministeriums
2. Bergbauministerium und lokale Ebene (Distriktregierung): Verbesserung der sozialen und ökonomischen Auswirkungen der Aktivitäten des Rohstoffsektors
3. Beratung EITI (Extractive Industry Transparency Initiative): Förderung von Transparenz und Corporate Social Responsibility/Accountability
4. Dialog Regierung und Privatwirtschaft: Stärkung der Regierung mit Hinblick auf den Dialog mit den Rohstoffunternehmen.
1 GIZ-Genderwettbewerb 2016, Beitrag von Carolin Brugger & Peter Wolf, Resource Governance Program, Mosambik
Das Genderthema ist in die Beratungsleistung auf lokaler Ebene in der Provinz Inhambane, Distrikte Inhassoro und Govuro, eingebettet. Landesweit erhalten in Mosambik fünf Distrikte seit 2013 jährlich Gelder aus einem Rohstofffonds, der aus einem Teil (momentan 2.75%) der Produktionssteuern der Rohsstoffunternehmen stammt. Die Steuerzahlungen gehen beim Finanzministerium ein, welches den Betrag des Rohstofffonds über die Provinzdirektion für Finanzen an die relevanten Distriktregierungen weiterleitet. Aufgabe der Distriktregierung ist es dann, das lokale Beratungsgremium auf Dorfebene – ein im Zuge der Dezentralisierung des Staatsapparates entwickeltes Format – zu informieren. Dieses erarbeitet mit der Dorfbevölkerung eine Prioritätenliste, die an die Distriktregierung weitergereicht wird. Die Beratung durch die GIZ hat zum Ziel, den Dialog zwischen den politischen Ebenen zu verbessern, eine Moderation zwischen Regierung, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft zu übernehmen sowie Gesetze und Informationen über den Rohstoffsektor der Bevölkerung in breiterem Maße zugänglich zu machen. Zugleich sollen die Distriktregierung sowie das Beratungsgremium auf Dorfebene dazu zu befähigt werden, mit Hilfe von partizipativen Prozessen nachhaltige Projektpläne zu erarbeiten. Die Formalisierung dieser partizipativen Planungsprozesse dient der Gender- gerechtigkeit, da hierdurch Frauen Einfluss auf die Verwendung des Rohstofffonds nehmen können.
1.3 Methoden, Aktivitäten, Ziele, Wirkungen
Mittelfristig soll eine Bewusstseinsveränderung stattfinden, sodass die Distriktregierung, das lokale Beratungsgremium und die Gemeindeführer die Notwendigkeit der Gendergerechtigkeit erfassen und aus eigenem Antrieb auch in anderen Kontexten anwenden.
In einem ersten Schritt war es das Ziel, Methoden zur Teilnahme von Frauen an dörflichen Planungsprozessen zu etablieren. Hierzu diente ein Methodenworkshop mit den zuständigen Vertretern der Distriktregierung, in dem Grundlagen zu Gendergerechtigkeit, Empowerment und Integration vermittelt wurden. Hierzu gehörten auch Instrumente zu Partizipation, wie die Arbeit in Sub-Gruppen, Statistik, Benchmarketing, Community Mapping, Gender-Matrix sowie der Umgang mit Dominanzmustern. Die Teilnehmenden identifizierten die praktikabelsten Methoden und beteiligten sich aktiv an deren Einführung auf Dorfebene. In einem weiteren Schritt wurden sie bei den Treffen zur Projektpriorisierung angewandt. Es handelt sich dabei um die Folgenden Methoden:
1. Erstellung der Prioritätenlisten in Subrguppen von Jugendlichen (je nach Bedarf noch einmal unterteilt in männliche und weibliche Teilnehmende), Frauen, Männern und – meist männlichen – Gemeindeführern. Jeder Gruppe erstellt in einem geschützten Raum – in einiger Entfernung von den Ohren der anderen Gruppen – ihre eigene Prioritätenliste. Auf diese Weise soll ein hemmungsfreier Raum geschaffen und Einflussnahmen der dominanteren Gruppen verhindert werden.
2. Umgekehrte Hierarchie-Pyramide: Nach Beobachtung der Dominanzmuster wurde die Reihenfolge Frauen, Jugendliche, Männer, Gemeindeführer festgelegt. Die am wenigsten dominante Gruppe stellte zuerst ihre Liste vor und die dominanteste oder einflussreichste folglich zuletzt.
Im Anschluss wurden die Ergebnisse miteinander verglichen und Gemeinsamkeiten herausgearbeitet. Bei gleichem Rang wurde unter allen Teilnehmenden abgestimmt und nach der Mehrheit entschieden. Dieser Prozess fand in insgesamt neun Dörfern statt, die wiederum – nach demselben Schema – untereinander eine finale Prioritätenliste für den Distrikt erstellten. Ziel dieses Prozesses war es einerseits, die allgemeine Partizipation der Dorfbevölkerung und vor allem die der Frauen zu steigern und andererseits, die Distriktregierung und das Beratungsgremium dazu zu befähigen, die Partizipation aller Beteiligten zu fördern und die verschiedenen Gruppen in den Dialog zu integrieren. Sobald die Höhe des verfügbaren Budgets aus dem Rohstofffonds bekannt ist, werden die Beteiligten darüber informiert, welche Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden können.
- Gender als Qualitätsmerkmal unserer Arbeit
2.1 Reaktionen der Partner
Der erste Workshop mit der Partnerorganisation umfasste zwölf Teilnehmende, darunter drei Frauen. Die Reaktionen auf das Thema Gender waren sehr unterschiedlich: Vor allem ältere, männliche Teilnehmende hatten größere Probleme mit dem Genderthema. Die Vorteile, Frauen einzubeziehen, wurden den Teilnehmenden der Distriktregierung insbesondere am Fall des Brunnens deutlich, der von Frauen nicht genutzt wurde, da er sich auf dem Privatgrundstück eines Mannes befand. Zur Umsetzung des zweiten Workshops und der Erhebungen in den Dörfern wurde in Viererteams mit wechselnden Teilnehmenden gearbeitet, wobei Mitarbeiter der Distriktverwaltung ausgesucht wurden, die sich beim ersten Workshop engagiert gezeigt hatten. Wenn möglich begleitete eine Frau die Frauengruppe, ein Mann die Männergruppe, ein junger Kollege die Jugendgruppe und einer der Gemeindeführer aus dem Beratungsgremium die Gruppe der Gemeindeführer. Die Mitarbeiter der Distriktregierung und die Zielgruppen nahmen die Methoden gerne an; in der Vergangenheit sei die Bevölkerung nur selten in die Planung einbezogen worden. Die GIZ trage erheblich zur Steigerung der Teilhabe von Frauen und weiteren benachteiligten Bevölkerungsgruppen bei.
2.2. Reaktionen der Zielgruppe
In den Versammlungen wurde die Methode der Subgruppen und der umgekehrten Hierarchie-Pyramide positiv aufgefasst. Auch im Plenum aller Gruppen fand ein aktiver Dialog unter den Beteiligten statt. Einziges Besorgnis waren die obersten Gemeindeführer, die sich in ihrer Funktion beschnitten fühlen könnten. Durch die Integration derselben als „Experten”, die den Methoden-Workshop mitgemacht hatten und daher als Moderatoren für die Gruppe der Gemeindeführer gebraucht wurden, verliefen die Treffen jedoch problemlos. Während einer Veranstaltung der GIZ zu „Herausforderungen und Chancen der Rohstoffindustrie in den Distrikten” hob ein Gemeindeführer spontan die Arbeit des GIZ-Programmes hervor, da zum ersten Mal seit Bestehen des Rohstofffonds die Bevölkerung systematisch einbezogen wurde und jede Interessengruppe (Frauen, Jugendliche etc.) ihren eigenen Platz zur Mitbestimmung erhielt.
2.3. Reaktionen der Auftraggeber
Da die lokale Komponente erst im Januar 2015 ins Programm aufgenommen wurde, erfolgte bisher noch kein Abschlussbericht an den Auftraggeber. Jedoch war das Thema Bestandteil der jährlichen Projektbericht- erstattung an das BMZ.
- Gender und WoM
3.1 Wirkungsmessung
Zu den kurzfristigen und somit momentan messbaren Wirkungen der Förderung der gleichberechtigten Partizipation beider Geschlechter gehört die erfolgreiche und zufriedenstellende Umsetzung der Projekte aus dem Rohstoffonds. Erzielte Wirkungen lassen sich in der größeren Akzeptanz der Projekte durch erhöhtes Ownership, größere Zufriedenheit unter den Teilnehmenden und dadurch auch eine gesteigerte Nachhaltigkeit feststellten. Zur Messung dieser Wirkung werden Interviews mit den beteiligten durchgeführt, um den Grad der Zufriedenheit mit dem Prozess festzustellen.
Langfristig soll die gleichberechtigte Partizipation zu einer Steigerung der Nachhaltigkeit der Projekte aus dem Rohstoffonds beitragen. Sowohl von der Distriktregierung als auch von den Unternehmen wird häufig bemängelt, dass sich die Bevölkerung nach Übergabe der Projekte nicht um die Instandhaltung derselben kümmere. Mit einem erhöhten Gefühl von Ownership könnte dies verhindert werden. Ebenso die Nicht-Nutzung fertiggestellter Projekte (siehe Brunnenbeispiel) wird dadurch verhindert. Die gleichberechtigte
3 GIZ-Genderwettbewerb 2016, Beitrag von Carolin Brugger & Peter Wolf, Resource Governance Program, Mosambik
Beteiligung an Projektentscheidungsprozessen trägt demnach zum Hauptziel der nachhaltigen Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung bei.
3.2. Dokumentation, Monitoring und Evaluierung
Die Dokumentation erfolgt über ein Berichtswesen, das alle Prioritätenlisten – sowohl die der Subgruppen als auch die finalen – umfasst. Somit wird offengelegt, welche Bedürfnisse von welcher Gruppe geäußert wurden und wie diese in die endgültige Liste aufgenommen wurden. Projektvorschläge, die nicht über den Rohstofffonds realisiert werden können (dieser umfasst nur Infrastrukturprojekte), fließen in Gemeinde-entwicklungspläne ein, die mit der Distriktregierung, den Unternehmen (Stichwort CSR) und weiteren möglichen Geldgebern geteilt werden.
Das Programm arbeitet zu einem Indikator, der besagt: „Zur Umsetzung von gendersensiblen Entwicklungs- plänen in 3 Abbaudistrikten tragen privatwirtschaftliche Unternehmen mit insgesamt 2.200.000 USD bei.”. Im Bericht an das BMZ werden die Aktivitäten, Ziele und Wirkungen daher ebenfalls dokumentiert.
Bis Mai 2016 wird außerdem zusätzlich ein Best Practice Manual über die Arbeitsprozesse im Rahmen des Rohstoffonds entwickelt, in welchem ebenfalls der Genderansatz des Programms vorgestellt und evaluiert werden soll.
- Kooperation
4.1. Kooperationspartner
Kooperiert wurde mit zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Organisationen und selbstverständlich mit den Kollegen der Partnerorganisation (Distriktregierung), dem Vorsitzenden des lokalen Beratungsgremiums und einflussreichen Persönlichkeiten (Gemeindeführern) innerhalb der Zielgruppe. Eine versierte Mitarbeiterin von Plan International hatte Teile eines Workshops durchgeführt.
4.2. Herausforderungen und Erfolgsfaktoren
Die Suche nach Experten zum Thema Gender in Mosambik und vor allem auf Provinzebene war eine Herausforderung. Generell befassen sich in der Provinz wenige Organisationen mit dem Thema Gender.
Eine Schlüsselfigur auf Distriktebene ist der Sekretär der Distriktverwaltung, von dem die Aktivitäten der Fachkräfte, unserer direkten Implementierungspartner, genehmigt werden müssen. Der Sekretär stand dem Vorhaben und den Ideen zur Gendergerechtigkeit von Anfang an sehr offen gegenüber. Wahrscheinlich war es auch von Vorteil, dass zum Beginn unserer Aktivitäten kein Distriktadministrator im Amt war. Oft wurde auch mit Vertretern der verschiedenen Kirchen kooperiert, da diese weitreichende Erfahrung mit der Versammlung von möglichst großen Teilen der Bevölkerung aufweisen.
Ein Erfolgsfaktor besteht darin, dass ein sichtbarer Bedarf nach nachhaltiger lokaler Planung bestand und die Vorteile einer gender-gerechten Planung innerhalb eines Planungszyklus’ bereits deutlich wurden. Weitere Erfolgsfaktoren sind das Einbeziehen der traditionellen Dorfhierarchien, insbesondere der Gemeindeführer sowie erfolgreiche Überzeugungsarbeit auf höheren Ebenen. Zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren zählen außerdem eine transparente und umfassende Kommunikation mit allen Kooperationspartnern; das Einbeziehen aller Meinungen und Beiträge und das Anpassen der geplanten Aktivitäten auf deren Basis (Stichworte Ownership und Flexibilität); positive, freundliche Beziehungen zu allen Beteiligten, die ein gutes und motivierendes Arbeitsambiente ermöglichen und eine verstärkte Zusammenarbeit mit Individuen, die aus persönlichem Antrieb bereits an der Genderthematik interessiert waren und denen es gelang, das Thema an ihre Kollegen, ihre Gemeinde, ihre Nachbarn etc. weiterzugeben.